Orale Impfstoffe gegen Erkrankungen der Atemwege: Aktivierung des gemeinsamen mukosalen Immunsystems

Marina Dreibi
20-Okt-2025 (gestern)

Einleitung

Die Immunisierung von Schweinen ist für die Produktivität und das Wohlergehen der Tiere von entscheidender Bedeutung. Obwohl injizierbare Impfstoffe häufiger eingesetzt werden, haben sich orale Impfstoffe als vielversprechende Alternative herausgestellt – nicht nur aufgrund ihrer einfachen Verabreichung in großen Tiergruppen und der geringeren Stressbelastung, sondern auch wegen ihrer Fähigkeit, das mukosale Immunsystem zu modulieren, das eine wichtige Barriere gegen viele enterische und respiratorische Krankheitserreger darstellt.

Historischer Hintergrund und Herausforderungen

Die orale Impfung bei Schweinen ist nicht neu. Ein lebend-attenuierter oraler Impfstoff gegen die Klassische Schweinepest (KSP), der an Hausschweinen und Wildschweinen getestet wurde, bot Schutz gegen eine Infektion, ohne dass der Impfstoffstamm ausgeschieden wurde. Dabei erleichtern schmackhafte Köderformulierungen die praktische Anwendung dieses Impfwegs zur Immunisierung großer Tierpopulationen, einschließlich Wildtieren, und eröffnen so vielversprechende Möglichkeiten zur Bekämpfung von Krankheiten im Feld (Chenut et al., 1999).

Aber die orale Impfung steht auch noch vor Herausforderungen. Die orale Immunisierung ist zwar für die Induktion von IgA-Antikörpern im Darm vorzuziehen, ihre Wirksamkeit unter Feldbedingungen kann jedoch aufgrund des Abbaus labiler Komponenten, wie Antigene, die im Magen-Darm-Trakt pH-Wert, Enzymen und mütterlichen Antikörpern ausgesetzt sind, uneinheitlich sein. Um dies zu überwinden, sind technologische Innovationen erforderlich, die die Stabilität und den Schutz der Antigene gewährleisten, wie in den folgenden Beispielen gezeigt wird.

Dieser Artikel befasst sich mit den Grundlagen der mukosalen Immunität bei Schweinen, dem gemeinsamen mukosalen Immunsystem, dem Potenzial der oralen Immunisierung gegen respiratorische und enterische Erreger sowie den technologischen Fortschritten, die helfen, ihre Einschränkungen zu überwinden.

Mukosale Immunität und das CMIS

Das gemeinsame mukosale Immunsystem (CMIS) beschreibt die funktionelle Vernetzung zwischen verschiedenen Schleimhautbereichen. Die Schleimhäute (Gastrointestinal-, Respirations- und Reproduktionstrakt) stellen die wichtigsten Eintrittspforten für Krankheitserreger bei Schweinen dar. Das Schleimhaut-assoziierte Lymphgewebe (Mucosa-Associated Lymphoid Tissue, MALT) mit seinen spezialisierten Komponenten – dem Darm-assoziierten Lymphgewebe (GALT) und dem Bronchien-assoziierten Lymphgewebe (BALT) – initiiert lokale Immunantworten. Die Aktivierung von T- und B-Lymphozyten durch Antigen-präsentierende Zellen (APCs) führt zur Vermehrung von Effektor- und Gedächtniszellen. Die Migration der Immunzellen zu anderen Schleimhautbereichen wird durch Lymphozyten-Homing-Mechanismen gesteuert (Abb. 1). Dadurch können oral oder intranasal verabreichte Antigene Immunantworten in entfernten Schleimhautbereichen auslösen, wie beispielsweise an den Nasen-, Luftröhren-, Darm-, Mund- und Vaginaloberflächen. Das sekretorische Immunglobulin A (sIgA) ist einer der wichtigsten Effektoren und neutralisiert Krankheitserreger im Lumen. Die Wirksamkeit einer Impfung hängt jedoch von der Stärke, Lokalisation, Spezifität und dem Isotyp der Antikörperreaktionen ab (Guevarra et al., 2021; Wilson & Obradovic, 2015). Eine Studie zu PRRSv zeigte, dass die orale Immunisierung IgA sowohl in der Mund- als auch in der Vaginalschleimhaut induzierte, was die systemische Wirkung von oralen Impfstoffen auf die mukosale Immunität unterstreicht (Hyland et al., 2004).

Die Aktivierung von Immunzellen an einem Schleimhautbereich kann deren Migration zu anderen Schleimhautoberflächen bewirken.

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Schematische Darstellung der Aktivierung des gemeinsamen mukosalen Immunsystems durch einen oralen Impfstoff

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Orale Impfstoffe gegen respiratorische Krankheitserreger

Orale Impfstoffe werden üblicherweise gegen gastrointestinale Krankheitserreger eingesetzt, da sie eine natürliche Infektion nachahmen und die lokale Immunität stimulieren, wie dies bei kommerziellen Impfstoffen gegen Escherichia coli und Lawsonia intracellularis der Fall ist. Obwohl der Schwerpunkt in der Vergangenheit auf Darmerkrankungen lag, werden orale Impfstoffe nun auch für komplexere Pathologien entwickelt, unterstützt durch das CMIS und neue Technologien.

So wurde ein oraler Impfstoff gegen Mycoplasma hyopneumoniae (Mhyo) unter Verwendung von SBA-15-Siliziumdioxid als Adjuvans entwickelt, beschichtet mit einem pH-sensitiven Polymer, das das Antigen vor Magensäuren schützt und es im Dünndarm freisetzt. Dieser orale Impfstoff reduzierte Lungenläsionen im Vergleich zu Kontrolltieren um 90 %, induzierte IgA im Respirationstrakt und senkte die IL-8-Spiegel im Lungengewebe (Mechler-Dreibi et al., 2021).

Ein weiterer innovativer oraler Impfstoff auf Basis von Bacillus subtilis-Sporen gegen PRRSv induzierte sowohl humorale als auch zellvermittelte Immunantworten, erkennbar an erhöhten IFN-γ- und neutralisierenden Antikörperspiegeln sowie höheren Konzentrationen spezifischer Antikörper und Zytokine bei Schweinen (Min et al., 2024).

In ähnlicher Weise wurde ein oraler Impfstoff gegen PCV2 unter Verwendung von rekombinantem Bacillus subtilis, der das PCV2-Kapsidprotein exprimiert, entwickelt. Geimpfte Ferkel zeigten erhöhte Konzentrationen von PCV2-spezifischen IgA in Schleimhautgeweben des Verdauungs- und Respirationstrakts sowie PCV2-spezifisches IgG im Serum, begleitet von erhöhten IL-1β-, IL-6-, IFN-γ- und β-Defensin-2-Spiegeln (Zhang et al., 2020).

Fazit

Orale Impfstoffe stellen eine vielversprechende Entwicklung in der Immunprophylaxe von Schweinen dar und haben das Potenzial, die Präventionsstrategien in der modernen Schweineproduktion zu verändern. Neben der einfachen Anwendung in großem Maßstab und der geringeren Stressbelastung der Tiere zeichnen sie sich durch ihre Fähigkeit aus, die mukosale Immunität zu stimulieren – eine wichtige Komponente bei der Abwehr von sowohl enterischen als auch respiratorischen Krankheitserregern.

Es gibt immer mehr Belege dafür, dass es mit Hilfe innovativer Formulierungs- und Verabreichungstechnologien möglich ist, die Herausforderungen der oralen Anwendung, wie etwa den Antigenabbau im Gastrointestinaltrakt, zu überwinden. Durch die positive Modulation von Immunantworten und sogar des Darmmikrobioms könnten orale Impfstoffe zu einem strategischen Instrument für eine effizientere und nachhaltigere Schweineproduktion werden, die den Anforderungen an Tierwohl und Biosicherheit gerecht wird.